Courtesy Cotter & Naessens Architects © Samuele Cherubini

Timo Miettinen: „ Mich mit Kunst auseinanderzusetzen, ist für mein Leben wichtig.“

Der finnische Kunstsammler Timo Miettinen verbindet durch seine Leidenschaft und sein damit verbundenes Engagement seit vielen Jahren die finnische und deutsche Kunstwelt miteinander. Schon als Kind begleitete er seine Mutter zu Auktionen, auf denen sie finnische Landschaftsbilder erwarb. Vor 25 Jahren wurde dann das Kunstsammeln für Timo Miettinnen zur Berufung. Er begann, sich intensiv für internationale Gegenwartskunst zu interessieren und sein ersten Kunstwerke zu kaufen. Heute umfasst seine Sammlung etwa 2.000 Werke, darunter Leiko Ikemuras „Reclining Face Orange“ , Cover der aktuellen Ausstellung, und etwa 70 Werke von Secundino Hernández. Miettinen gilt als einer der bedeutendsten finnischen Kunstsammler.



Berlin ist für Miettinen eine zweite Heimat geworden. Florian Peters-Messer, selbst ein bekannter deutscher Kunstsammler, führte ihn in die Kunstwelt ein und so entstand ein Netzwerk, das sich stetig weiterentwickelt hat. Mit dem „Salon Dahlmann“ in einem Gründerzeithaus in Berlin-Charlottenburg, schuf Timo Miettinen in Berlin eine Adresse, die an die Salonkultur Berlins der 1920er und 30er Jahre anknüpfte, und wo Ausstellungen, Konzertabende und Lesungen seit 2012 stattfinden. Nun ist auch in Anacapri ein Ort entstanden, um Künstler und Künstlerinnen einzuladen, dort Zeit zu bringen und vor Ort zu arbeiten. Aus diesen „Artist Residencies“ soll in 2027 eine Reihe von Ausstellungen entstehen.


Die Sammlung Philara, 2006 von Gil Bronner in einem 3.500 m² großen ehemaligen Glaswerk in Düsseldorf gegründet, ist ein Zentrum zeitgenössischer Kunst. In den musealen Räumen werden neben Werken von jungen rheinländischen Künstlern und Künstlerinnen auch etablierte Positionen wie Alicja Kwade und Thomas Demand präsentiert. Durch Peters-Messer entstand die Kooperation von Miettinen und Bronner: Seit April und noch bis Ende Juli 2025 stellt die Sammlung Philara einen Teil ihrer Sammlung in Berlin in den Räumen der Miettinen Collection aus, während nun die Miettinen Collection bis 21. September zu Gast in Düsseldorf ist. Ein gelungener Sammler-Dialog, der Kunst öffentlich zugänglich macht und den kulturellen Dialog fördert.

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8. Juli , 2025

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Interview Directory 

ART

Name: Timo Miettinen

Chairman EM Group Oy in Finland, Kunstsammler

AM: Sie haben in den 1970er-Jahren mit dem Sammeln von Landschaftsmalerei begonnen?


Timo Miettinen: Schon als Kind sammelte ich Briefmarken und Münzen. Meine Mutter begann, finnische Landschafts- und Blumenbilder zu sammeln. Da mein Vater als Geschäftsmann viel in seiner Firma beschäftigt war, begleitete ich sie zu Auktionen und Galerien. Ich äußerte meine Meinung zu ihren Entscheidungen. Ein erstes bekanntes Werk war ein Landschaftsgemälde eines finnischen Sees mit Felsen und Wald, das wir gemeinsam erwarben. - André Butzer war der erste deutsche Künstler, dessen Werke ich später sammelte. 


Hatten Sie denselben Geschmack wie Ihre Mutter?


Ja, sehr. Meine Mutter sammelte hobbymäßig, und ich war fasziniert. Erst vor 25 Jahren begann ich ernsthaft zu sammeln, als ich eine Wohnung in Helsinki kaufte und mein Leben verändern wollte. Damals fing ich an, mich für internationale Kunst zu interessieren und sie dann auch zu erwerben.


„Als die Wände meiner Wohnung nicht mehr ausreichten und die Werke im Lager landeten, musste ich mir unerwartet eingestehen, dass ich ein Kunstsammler geworden war.“


Wann erkannten Sie, dass Ihre Leidenschaft zu einer „ernsten Angelegenheit“ wurde?


Als die Wände meiner Wohnung nicht mehr ausreichten und die Werke im Lager landeten, musste ich mir unerwartet eingestehen, dass ich ein Kunstsammler geworden war. In Berlin traf ich Kuratoren, Galeristen, Art Advisor und auch Kunstsammler wie Florian Peters-Messer. Auf diese Weise wurde ich in Berlin in die internationale Kunstwelt eingeführt. FPM, mit dem ich auch befreundet bin, hat jetzt die Ausstellung bei Philara zusammen mit Linda Peitz kuratiert.

„Die kulturelle und soziale Verbindung zwischen Deutschland und Finnland liegt mir sehr am Herzen.“

Leiko Ikemura, Reclining Face Orange, 2008, Tempera Leinen, 50 x 60 cm, © the artist, Courtesy Miettinen Collection

Secundino Hernández, Lupis Ipsum #1, 2013, Gouache, Acryl, Harz. Öl auf Leinwand, 130 x 90 cm, © the artist, Courtesy Miettinen Collection

Wie kam es zu dieser besonderen Verbindung zu Deutschland?


Die kulturelle und soziale Verbindung zwischen Deutschland und Finnland liegt mir sehr am Herzen. Meine Eltern sprachen gut Deutsch, und in der Schule war Deutsch meine erste Fremdsprache. Ich war oft in Deutschland in den letzten 60 Jahren, auch in der Schweiz und Österreich, lebte in Lüdenscheid und Baden-Baden und war in den 1980er-Jahren häufig in Düsseldorf. So entwickelten sich viele soziale, geschäftliche und private Verbindungen. 


Was denken Sie über Deutschland und die Deutschen?


Das Leben in Deutschland unterscheidet sich kaum von Finnland oder den nordischen Ländern. Die Deutschen sind zuverlässig und etwas zurückhaltender als Spanier oder Italiener. Inzwischen liebe ich das Mittelmeer und lebe teilweise auch in Capri, aber meine guten Erinnerungen an Westdeutschland, die ehemalige Bundesrepublik, bleiben.


War das vor dem Mauerfall?


Ja. Ich war in den 1960er-Jahren erstmals in Deutschland, auch in d en 1970er und 80er Jahren. Damals lebte ich in Lüdenscheid, denn wir arbeiteten mit einer deutschen Firma zusammen. Berlin habe ich erst seit 2005 kennengelernt.


Neben der Kunst spielt für Sie auch Design eine große Rolle. 


Auch eine Firma zu leiten ist ein kreativer Prozess. Neue Produkte zu entwickeln oder international zu vermarkten, hat mich stets fasziniert. Wir hatten eine Firma namens OPA Oy, die Haushaltswaren aus Edelstahl und Elektroverteiler herstellte. Mich hat Design in Zusammenarbeit mit Haushaltswaren interessiert, auch deswegen habe ich diesen Bereich mehrere Jahre geleitet. Die Firma legte Wert auf Designqualität und kooperierte mit Rosenthal und finnischen Designern. So war ich einige Jahre mit Design beruflich beschäftigt. Bis heute spielt Design eine wichtige Rolle für meinen Alltag. 


Wie kam es zum Kennenlernen mit Gil Bronner und der späteren Kooperation?


Florian Peters-Messer hat mich mit Gil Bronner bekannt gemacht. Durch meine häufigen Besuche in Düsseldorf lernte ich seine Sammlung kennen und sah, wie auch er seine Sammlung öffentlich zugänglich macht. Da gab es ein gemeinsames Interesse. Vor einigen Jahren beschlossen wir, zu kooperieren. Meine Sammlung aus Berlin mit finnischem Flair besucht jetzt Düsseldorf und die Sammlung Philara mit rheinländischen Akzenten ist seit Ende April und bis Ende Juli bei uns in Berlin. 


„Private Sammlungen und Stiftungen sollten mehr kooperieren, denn das ist gut für die Kunst, die Künstler und besonders interessant für das Publikum.“


Warum sind solche Kooperationen wichtig?


Private Sammlungen und Stiftungen sollten mehr kooperieren, denn das ist gut für die Kunst, die Künstler und besonders interessant für das Publikum. Meine Sammlung umfasst etwa 2000 Werke, aber in unseren Räumlichkeiten in der Marburger Straße 3 in Berlin, und obgleich das Gründerzeithaus ziemlich groß ist, kann ich nur einen kleinen Teil meiner Sammlung präsentieren. Daher ist es wichtig, die Kunst auch an anderen Orten zu zeigen durch Kooperationen mit Gleichgesinnten, damit die Kunst einem breiteren Publikum öffentlich zugänglich ist. Schön wäre auch ein eigenes Museum, aber das könnte ich mir nicht leisten. 


Wie müssen wir uns Ihre Berlin-Helsinki Sammlungsaktivitäten vorstellen? 


Neben meinen Aktivitäten als „Salonnier“ in unserem Haus in Berlin haben wir als Familie auch ein Stadthaus in Helsinki. Dort ist auch unser Family Office. Hier werden ebenfalls hin und wieder Ausstellungen kuratiert. Die nächste Ausstellung eröffnet Ende August und wird von meiner Tochter Anna kuratiert. Ich bin sehr gespannt, welchen Blick sie aus ihrer Generation auf die Sammlung wirft und welche Aspekte sie herausstellt. Die Geschäftsräume sind allerdings nicht öffentlich zugänglich. 


Ihre Sammlung zeigt eine große Bandbreite. Wie hat sich die Sammlung entwickelt? Was interessierte Sie nach der finnischen Landschaftsmalerei, und was ist Ihr Lieblingswerk?


Nach der finnischen Landschaftsmalerei habe ich mich mehr für internationale Gegenwartskunst interessiert. Ich schätze die Werke von Leiko Ikemura sehr, die ich seit über zehn Jahren persönlich kenne und deren Kunstwerke ich mit großem Interesse sammele. Wenn ich ein Lieblingswerk wählen müsste, wäre es eines von Leiko Ikemura. „Reclining Face Orange“, ein kleineres Bild mit einer sehr speziellen Technik gemalt, Tempera auf Leinen, ist auch das Key Visual meiner Ausstellung hier in Düsseldorf und eines meiner Lieblingswerke. 


Auch Secundino Hernández’ Interpretation der Zwölf Apostel und Jesus Christus nach El Greco beeindrucken mich. Wir haben rund 70 Werke von diesem Künstler in der Sammlung. Es sind zwei zentrale Positionen für mich, die auch in Düsseldorf sehr prominent vertreten sind, neben zahlreichen deutschen und finnischen Künstlern.  


Sie haben Kunst oder Kunstgeschichte nicht studiert. Warum ist es Ihnen wichtig, so tief in dieses Thema einzutauchen?


Mich mit Kunst auseinanderzusetzen, ist für mein Leben wichtig. Und Sammler zu sein, bedeutet auch eine gewisse Verantwortung für die Künstler zu übernehmen, die man sammelt. Ich habe mich sehr bewusst für die Kunst entschieden und damit auch ein neues Leben begonnen. Ich besuchte Ausstellungen, reiste ins Ausland, traf finnische und deutsche Künstler und wuchs so über 25 Jahre in die Kunstwelt hinein. 

Anselm Reyle, Untitled, 2012, Mixed Media auf Leinwand, Acrylglas, 182 x 122 x 21 cm, © the artist, Courtesy Miettinen Collection

Installationsansicht „WHERE ARE WE NOW. Highlights der Miettinen Collection in der Sammlung Philara, Düsseldorf”, Sammlung Philara, 2025, Foto: Kai Werner Schmidt

Sie betreiben eine Artist Residency?


Ja, in Berlin habe ich das viele Jahre gemacht und nun in meinem Haus in Anacapri, nahe der Blauen Grotte, wo ich drei Monate im Jahr verbringe. Dorthin lade ich Künstler für ein bis zwei Wochen ein, um zu zeichnen oder zu malen. Ich plane, 2027 eine Ausstellung mit diesen Werken in Italien, Helsinki und Deutschland zu zeigen. 


Welche Künstler kommen nach Capri?


Dieses Jahr sind es Adam Lupton, Leiko Ikemura, Zohar Fraiman und Anna Retulainen. 


Sammeln und verkaufen Sie Kunstwerke?


Ich verkaufe selten, bisher habe ich nur einige wenige Werke verkauft, um Kunst von jüngeren Positionen zu erwerben und so Künstler zu fördern. Auf diese Weise kann ich aufstrebenden Künstlern eine Plattform geben. Es geht mir darum, die Sammlung weiterzuentwickeln und eine größere Öffentlichkeit für Künstler und Kunstwerke zu bieten. 


„Ich sehe mich als kultureller Botschafter Finnlands und kooperiere mit dem Finnland-Institut und der Botschaft in Berlin. Eigentlich bin ich ein „Salonnier“.“


Wie sehen Sie die Rolle Ihrer Sammlung im internationalen Kontext, und welche sozialen, kulturellen oder politischen Themen behandelt sie? 


Ich sehe mich als kultureller Botschafter Finnlands und kooperiere mit dem Finnland-Institut und der Botschaft in Berlin. Eigentlich bin ich ein „Salonnier“. Mein Salon soll den kulturellen Dialog durch Musik und Kunst fördern. Kunst soll allen zugänglich sein. In schwierigen Zeiten können Landschaftsmalerei oder Blumenbilder eine Flucht aus der Realität bedeuten. Doch Politik ist mir auch wichtig. Ich folge den internationalen politischen Entwicklungen. Ein Raum in der Ausstellung bei Philara widmet sich dem Thema Krieg und Protest - etwa Felix Dröses abstraktes Bild zur Jugoslawien-Krise der 1990er-Jahre. Gender-Fragen sind ebenfalls vertreten, zum Beispiel durch Werke von Tom of Finland. Kunst hat mit Schönheit zu tun, aber sie ist auch ein Medium, um gesellschaftliche Themen zu reflektieren und unterschiedliche Perspektiven mit anderen zu teilen. Daher ist auch das Kunstsammeln für mich ein gesellschaftliches Engagement.

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