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Andreas Rueckewoldt Interview: Die INVICTUS GAMES sind ein Teil meines Lebens und meines Schicksals geworden

Andreas Rückewoldt ©Thorsten Schneider

Andreas Rückewoldt: "Die INVICTUS GAMES sind ein Teil meines Lebens und meines Schicksals geworden.

Ich war bei den Weltmeisterschaften und bei den Olympischen Spielen, aber die INVICTUS GAMES sind mit nichts vergleichbar."

In Den Haag nahm Andreas Rückewoldt erstmals aktiv an den INVICTUS GAMES teil. Sein erster Besuch der Spiele in Toronto, Kanada, im Jahr 2017 waren physisch und mental eine enorme Belastung für ihn, aber mithilfe seines Sohnes stand er sie durch. Ein weiteres Mal besuchte er die Spiele in Sydney, Australien, bevor er dann in Den Haag seinen Traum von der eigenen Teilnahme realisieren konnte.


Die Idee zu den INVICTUS GAMES gibt es seit 2013, als Prinz Harry, der als Soldat in Afghanistan diente, und auf einer Reise zu den Warrior Games in den USA sah, wie die Kraft des Sports verletzten Menschen helfen kann. Das Wort „invictus" bedeutet „unbesiegt". Es verkörpert den Kampfgeist verwundeter, verletzter und erkrankter Soldaten und Soldatinnen und steht für das, was diese Männer und Frauen nach einer Verletzung erreichen können.


Andreas Rückewoldt hat die Spiele und ihre Bedeutung ganz klar analysiert. Die deutsche INVICTUS Mannschaft sind nicht die deutsche Nationalmannschaft der Soldaten, sondern es geht in erster Linie um den persönlichen Rehabilitationsprozess und die Wiedereingliederung der geschädigten Soldaten in den Tagesdienst. Den Rehabilitationsprozess einsatzgeschädigter Soldaten war davor schon ein fest verankerter Bestandteil bei der Bundeswehr. Die Spiele werden in das Sportrehabilitations-Programm der Sportschule der Bundeswehr in Warendorf integriert. Mit dem sogenannten Wehrdienstverhältnis anderer Art bietet die Bundeswehr etwas in der Welt einzigartiges für geschädigte Soldatinnen und Soldaten. Es ist ein System, das Soldaten wie Andreas Rückewoldt durch oder trotz der Erkrankung wieder in den Arbeitsalltag integriert. Im Fall der Erkrankung erhält der Soldat während der Krankheitszeit sein volles Gehalt. Gegenwärtig ist es sehr schwer für die betroffenen Soldaten mit einer Traumafolgestörung wie z.B. einer PTBS, denn die Bilder über die Situation in der Ukraine erinnern sie an ihre eigenen Erlebnisse.


Außerdem erzählt Andreas Rückewoldt von den Veteranen Pickups, einem Auto, dass in Ländern wie USA, Australien, Kanada und England eingesetzt wird, um die Veteranen und deren Familien zu ehren. Der Lotse fährt damit durch ganz Deutschland und erfährt stets positives Feedback. Sogar Menschen, die der Bundeswehr kritisch gegenüber stehen, fragen nach seinen Erlebnissen und lassen sich gemeinsam mit ihm fotografieren. Es geht ihm darum, zu zeigen, was bei den Einsätzen der Soldaten passiert und auch, dass sie manche Kameraden im Einsatz zurücklassen mussten.

Repost from 19 July 2022

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IN FOCUS

Name: Andreas Rückewoldt

Occupation: Soldat, Deutsches INVICTUS GAMES 2022 Team in Den Haag.

"Bei den INVICTUS GAMES geht es nicht um den Medaillengewinn. Es war einzigartig und mit Worten nicht zu beschreiben."


Wie haben Sie von den INVICTUS GAMES erfahren?


Es ist eine verrückte Geschichte. 2017 traf ich in Warendorf eine Kameradin, die selbst einsatzgeschädigt ist. Sie fuhr eine Woche später zu den INVICTUS GAMES nach Toronto.


Ich versprach ihr, sie zum Flughafen zu bringen und traf dort auf das deutsche INVICTUS GAMES Team. Ich bin seit 20 Jahren einsatzgeschädigt mit einer einsatzbedingten PTBS und die Spiele waren Neuland für mich. Als ich zurückfuhr, rief ich meine Partnerin an und sagte zu ihr: Buch mal zwei Flüge nach Kanada. Ich fahre zu den INVICTUS GAMES. Sie buchte sofort, aber es stellte sich heraus, dass ich keinen Pass hatte und ich musste einen vorläufigen beantragen. Am Sonntag flog ich dann mit meinem Sohn nach Kanada. Ich war sehr froh, dass mein damals 17-jähriger Sohn mit dabei war, denn ich konnte nicht alleine zu diesen Spielen gehen. Die Emotionen, die ich erlebte, als ich die betroffenen Sportler sah; dies war ein Wendepunkt in meinem Krankheitsverlauf. Ich habe gesehen, was andere Betroffene geleistet haben. Bei den INVICTUS GAMES geht es nicht um den Medaillengewinn. Es war einzigartig und mit Worten nicht zu beschreiben.


Ein Offizier verlor beide Beine und beide Arme. Er bekam eine Art Gestell angelegt und nahm damit am Rudern teil. Er gewann in seiner Klasse eine Medaille, die Prinz Harry überreichen wollte. Hinter dem Prinzen rannte seine kleine Tochter, die die Medaille übernahm und sie ihrem Vater überreichte. Es brach mein Herz, aber zeigte mir auch, was alles möglich ist.


Mental und psychisch sind die INVICTUS GAMES eine Vollbelastung, und mein Sohn musste mich stark unterstützen. 2018 flogen wir zu Dritt nach Australien zu den nächsten Spielen. Die Finanzierung habe ich selbst getragen. Niemals habe ich jemanden getroffen, der die Veranstaltung nicht einzigartig gefunden hätte. Ich war bei den Weltmeisterschaften und bei den Olympischen Spielen, aber die INVICTUS GAMES sind mit nichts vergleichbar. Auch die INVICTUS GAMES Family ist seit 2017 stetig gewachsen. 

©IG23

Und Ihre eigene Nominierung?


Als ich 2017 aus Toronto zurückkam, teilte ich meinem Truppenarzt im Bundeswehrkrankenhaus mit, dass ich gerne den Lehrgang an der Sportschule in Warendorf machen würde. Ich wurde sportpsychologisch und körperlich überprüft, ob ich überhaupt teilnehmen könnte. 2018 bekam ich das „Go“, an einem kleinen, 14-tägigen Lehrgang teilzunehmen. Man würde gemeinsam überlegen, welche Sportart ich machen könnte. In erster Linie geht es um die Reha und nicht um den Sport. Es geht darum, dem Soldaten eine Struktur zu geben und ihn in den Tagesdienst als Soldat wieder einzugliedern. Wir sind ja nicht die Nationalmannschaft der Soldaten, obwohl viele Nationen ihre Mannschaften anders sehen.


"Aber! Sport soll natürlich keine Ersatzdroge sein."


Und bei Ihnen hat das Konzept der Sportgruppe in Warendorf geholfen?


Ich habe eine chronisch einsatzbedingte PTBS; eine chronische Depression. Das wird nicht mehr weggehen. Aber über die Gruppe Sporttherapie habe ich wieder Lebensqualität und Struktur in meinem Leben bekommen. Aber! Sport soll natürlich keine Ersatzdroge sein. Man darf nach den INVICTUS GAMES nicht in ein Loch fallen. Ich erlebte in Toronto und Australien, dass Soldaten 1 Woche lang hoch gepusht werden. Wenn man nach Deutschland zurückkommt, fängt das normale Leben an und niemand schüttelt einem mehr die Hand. Manche Kameraden fallen dann in ein großes Loch.


In welchem Sport sind Sie in Den Haag angetreten?


Ich bin im Bogenschießen und beim Radrennen angetreten. Ich sollte 2018 zu den Militärweltmeisterschaften nach China nach Wuhan, was natürlich nicht mehr ging. Ich habe mir meine Wirbelsäule gebrochen und lief damals vier Monate lang am Rollator. 


Haben Sie Ihre Ziele in Den Haag erreicht?


Ich habe meine Ziele bedingt erreicht. Aufgrund meiner Wirbelsäulenverletzung saß ich mehrere Monate im Rollstuhl und konnte mich nur bedingt vorbereiten. Ich wusste nicht, ob ich dieser mentalen und physischen Belastung standhalten würde. Am letzten Tag, als ich auf dem Fahrrad saß und ans Ziel kam, sagte ich mir: Rücki, im letzten Jahr im Rollstuhl gesessen und jetzt bei den INVICTUS GAMES. Das war ein Glücksgefühl und die Tränen flossen. Seither trage ich ein INVICTUS Tattoo am Arm, denn die Spiele sind ein Teil meines Lebens und meines Schicksals geworden.


Was machen Sie heute bei der Bundeswehr?


Ich wurde 2016 wieder von der Bundeswehr in einem Wehrdienstverhältnis der besonderen Art eingestellt und wurde 2019 zum Berufssoldaten ernannt. Heute arbeite ich als Lotse. Mein Bataillon liegt in Holzminden, Niedersachsen. Panzerpionierbataillon 1. Es gilt „aus der Praxis für die Praxis“ und ich betreue Soldaten mit Einsatzschädigung, körperlich oder seelisch. Ich bin auch sehr viel im Veteranenbereich unterwegs. In jedem Bataillon ist ein Lotse; nebenamtlich oder hauptamtlich. Der Lotse betreut einsatzgeschädigte Soldaten; allgemein erkrankte, auch krebskranke Soldaten. Jedem Soldaten der zu mir kommt, sage ich zunächst: Herzlichen Glückwunsch, Du hast alles richtig gemacht, denn Du hast erkannt, daran zu arbeiten!


Sie sind in den sozialen Medien auch für Ihren Veteranen Pick-up bekannt. 


Damit geht es mir darum, für uns von der Bundeswehr ein besseres Bild in der Öffentlichkeit zu geben. In mehreren Ländern, wie den USA, Australien, Kanada oder England, gibt es die sogenannten Veteranen Pickups, mit denen die Soldaten geehrt werden. Ich als Lotse wollte auch ein Auto in Deutschland haben, um auf die Veteranen aufmerksam zu machen. Ein bekannter Rennautodesigner hat es anhand von Fotos meiner Erlebnisse im Ausland gestaltet. Das Auto ist ein Symbol meiner Dankbarkeit an Soldaten und deren Familien in der ganzen Welt. Wenn ich damit in Deutschland umherfahre, erfahre ich sehr viel positive Resonanz. Sogar von anderen Menschen, die uns Soldaten kritisch gegenüber stehen. 


Es geht mir darum, zu zeigen, was bei unseren Einsätzen passiert. Im Einsatz ist es nicht immer Friede, Freude, Eierkuchen. Ich musste manche Kameraden im Einsatz tödlich verwundet zurücklassen. 


Ich bin auch Teil der German Comrade Military Bikers, wo es darum geht, dass die einsatzgeschädigten Veteranen in eine neue soziale Umwelt kommen. Auch meine Partnerin arbeitet mit und kümmert sich um deren Familien. Dies ist meine Lebensaufgabe geworden.


Wie lange liegen Ihre traumatischen Ereignisse zurück?


Es fing mit Bosnien an vor 25 Jahren, über den Kosovo, später Afghanistan. In den 90er Jahren ging es los und endete 2010 in Afghanistan, die verlustreichste Zeit, die wir hatten, mit vielen Schwerverwundeten und Toten.


Wie sehen Sie die Stellung der Soldaten und der Bundeswehr in der Gesellschaft


Die Stellung der Soldaten in der Öffentlichkeit bis zur Beendigung der Wehrpflicht war eine andere. Nach Beendigung der Wehrpflicht konnten sich die Menschen keinen Kopf über die Bundeswehr machen. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine ist dies anders. Nicht wie in Mali oder Afghanistan steht der Krieg vor der Tür: etwa zweieinhalb Flugstunden entfernt. 2010 in Afghanistan kamen bei internationale Gefechten viele Kameraden um, aber man las in der Presse kaum etwas darüber. 


Sie haben Ihr Leben in der Bundeswehr verbracht. Sind Sie zufrieden oder hätten Sie gerne etwas anders gemacht?


Das System, wie ich durch oder trotz meiner Erkrankung wieder in die Bundeswehr zurückgekommen bin, das ist einzigartig. Das Wehrdienstverhältnis besonderer Art ist einzigartig in der Welt. Schwersteinsatzgeschädigte Soldaten werden wieder in das Arbeitsverhältnis eingeführt. Dies gibt es nicht in den USA und auch nicht in England. Ich bin stolz, wieder Soldat zu sein und ich bin stolz, was die Bundeswehr leistet für Veteranen und für Einsatzgeschädigte. Im Fall der Erkrankung erhält der Soldat sein volles Gehalt. Ich bin froh, dass ich eine militärische Ausbildung hatte, sonst wäre ich abgestürzt. An einem Punkt, an dem nichts mehr ging, hat mich die Bundeswehr gerettet.


"Dazustehen, und nichts tun zu können, die moralische Verantwortung, die macht einen innerlich kaputt."


Wie ist der Alltag mit PTBS.


Wenn ich Bilder in den Medien sehe, wie aktuell aus der Ukraine, werde ich immer an Sarajevo erinnert. Dort war ich 1996. Oder 1995-1997 in Bosnien, 1999 im Kosovo. Das macht dann die Situation sehr schwer, für mich und meine Kameraden, die ich betreue. Oft stellen wir uns dann die Frage, warum aus Erlebnissen nicht gelernt wurde.


Was würden Sie sich an Aufmerksamkeit für die INVICTUS GAMES wünschen?


Wir haben jetzt über die Spiele die einmalige Möglichkeit, dass die betroffenen Menschen eine Verbindung zur Öffentlichkeit haben können. 


Lieber Herr Rückewoldt, vielen Dank für das Interview.


"Rücki" und "Vocko" sowie der Veteran Truck von Herrn Rückevoldt ©IG23

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